Vom Gartenbau zum Tagebau - die vergessenen Kaiserfelder von Zittau
Zittau ist eine alte Gärtnerstadt, vergleichbar mit Erfurt, und hat mit der „Zittauer Gelben“ sogar einer Zwiebelsorte den Namen gegeben. Der besonders wertvolle Boden machte die Areale im Zittauer Becken zur Gemüsekammer des Königreichs Sachsen, von wo aus sogar bis nach Berlin in Breslau geliefert wurde. In der beginnenden Industrialisierung wurde der Anbau effizienter gestaltet und die Logistik des Warentransports verbessert. Spuren der Anbaubetriebe und der Transportwege lassen sich in alten Aufzeichnungen und Archivbeständen nachvollziehen, sind jedoch nie aufbereitet worden. Im allgemeinen Gedächtnis der Stadtgesellschaft haben sich Begriffe wie die „Kaiserfelder“ erhalten, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger, die man befragt angeben könnten, wo diese Bereiche lagen und liegen und wie sich der Name herleitet.
Das in Zittau eines der ersten, wenn nicht das erste vegetarische Restaurant von einer Köchin und Unternehmerin gegründet wurde, ist heute vielfach in Vergessenheit geraten. Anna Springers "Vegetarier-Heim zu Zittau" wurden in der Zeit der Lebensreformbewegung begründet, die heute oft zusammen mit der Gründerzeit in einem Atemzug genannt wird. Die findige Unternehmerin veröffentlichte zahlreiche Kochbücher mit vegetarischen Rezepten, die sicherlich von der Gemüsevielfalt geprägt worden sind, von der Frau Springer als Zittauer Köchin profitieren könnte.
Die Gründerzeit brachte auch andere, rasche und tiefgreifende Veränderungen des Lebens und Wirtschaftens. In der sich beschleunigenden Industrialisierung wurden Abbau und Nutzung von Braunkohle massiv vorangetrieben. Um und unter Zittau lagerte oberflächennah dieser Rohstoff, der für die Veredelung (Brikettierung) und später für die Stromgewinnung immer größere Bedeutung gewann. Die Aktiengesellschaft Sächsische Werke AG betrieb den Ausbau von Tagebauen und der notwendigen Infrastruktur- und Trassenverbindungen massiv voran. Kleine Grubenbetriebe und Energieversorgungsunternehmen wurden im Sinne wirtschaftlicher und politischer Interessen zusammengefasst. Damit einher gingen in und um Zittau große Eingriffe durch Tagebaue und andere, industrielle Landnutzungsformen. Bis heute lassen Spuren davon finden und prägen die Stadt, etwa durch das heute rekultivierte Tagebaurestgewässer „Olbersdorfer See“.
Durch das Projekt werden Landnutzungsformen und Konflikte in der Entwicklung von Zittau herausgearbeitet. Bis heute sind Konflikte und Abwägungen zwischen Landnutzungsformen für Agrar- und Industriezwecke prägend im Dreiländereck. Durch die Einbeziehung der „Entwicklungsstrategie Lausitz 2050“ (Handlungsfelder Industriekultur und Landnutzungsformen) schlägt das Projekt einen Bogen zu den aktuellen Diskussionen und den Überlegungen für die künftige, nachhaltige Nutzung der Ressource Boden in der Lausitz.
Fotografin Tine Jurtz